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Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!

Die diesjährige Jahreslosung ist herausfordernd. Sie spricht uns in unserer Haltung an.

Liebe Leserinnen und Leser,

zum Guten im neu­en Jahr helfen soll die Jahreslo­sung: Eine ökumenische Kommission sucht einen Bi­bel­vers fürs neue Jahr aus. „Losung“ meint hier im altmodischen Sinne „Motto, Richtschnur, Leitgedanke“. Hältst du dich an diese Orien­tie­rungs­hilfe, so wird es ein glück­li­ches und im Guten erfolgreiches Jahr. Die Losung für das neue Jahr 2024 steht im 1. Korintherbrief 16 Vers 14 und laute:

„Alles, was ihr tut, geschehe in Lie­be!“

Das ist es, wo­rauf alles an­kommt: Liebe. Wenn mein gan­zes Tun von Liebe geleitet wäre und wenn sich alle Men­schen daran orien­tieren würden, dann wür­de das neue Jahr tatsächlich friedli­cher und im Guten erfolgreicher wer­den, als es das letzte war. Ja, auf die Lie­be kommt es an. Wer wollte dem wider­sprechen, lie­be Gemein­de?!

Wer Liebe doof findet ist entweder schwer krank oder schwer ent­täuscht – aber das geht ja auch nur, weil die Liebe so wich­tig ist. Liebe ist das, was allen guttut, das, was jede und jeder braucht. „All you need is love“, san­gen die Be­at­les. Und Pau­lus hat im selben Brief an die Korinther zu­vor die Lie­­­be als die größte aller menschlichen Ga­ben gepriesen. Mit Paulus, mit den Beat­les und mit zahllosen Künst­lerinnen und Künst­lern der Mensch­heits­ge­schichte könnten wir einstimmen in das Hohe Lied auf die Lie­be. Da wären wir uns schnell einig: Liebe ist das Wich­tigs­te überhaupt. Liebe entscheidet über Glück und Unglück. Liebe, und gut ist. Alles klar!

Alles klar? Wie kann es dann sein, wenn sich da doch alle Men­schen einig sind – dass trotzdem noch immer Hass, Men­schenverachtung und Gewalt in der Welt herr­schen? – „noch im­mer“, oder im Blick auf das letzte Jahr muss man sa­gen: „immer mehr“! Das passt doch nicht zu­sam­men! Warum wird so wenig Lie­­be gelebt, wenn sie doch für alle so wichtig ist? Es braucht mehr als nur die Erkenntnis, wie schön die Liebe ist.

Es braucht auch die Kraft zur Liebe. Sonst bleibt die Jahreslosung ge­nau­so schnell auf der Strecke wir die meisten Vorsätze, die heute wieder mal gefasst wurden. Liebe ist aber keine Leis­tung, die den Vorsatz aus­führt. Liebe ist eine Haltung, die ich ein­nehme in meinem Le­ben. Liebe ist der Raum, in dem ich bin, die Luft, die ich atme, die Kraft mei­­ner Lebendigkeit.

Aber jetzt klingt es so, als würde ich doch noch ins Hohe Lied der Liebe ein­stimmen und an­fangen, von Liebe zu schwär­­men. Ja, das lässt sich wohl kaum vermeiden, wenn man von Lie­be spricht. Ist sie doch mehr als nur ein gutes Prinzip, mehr als eine aufregende Emotion, mehr als eine ethische Richt­­schnur. Es geht ihr um mehr als nur um mein Tun und Lassen, mein Han­deln und Verwehren. Deshalb ärgert mich sehr, dass die Jahres­lo­sung in der öku­me­nischen Ein­heits­über­set­zung ausgewählt wur­de: “Alles, was ihr tut, gesche­he in Liebe!“ Auch die reformierte Zür­cher Übersetzung gibt die Stel­le so ein­seitig wieder. Im griechi­schen Urtext dagegen heißt es wörtlich:

„Alles von euch geschehe in Liebe!“

also im Sin­ne von: alle eure An­ge­legenheiten, alles, was euer Leben betrifft, geschehe in Liebe! Also nicht nur dein aktives Tun, sondern auch schon dein Denken und Re­den, deine innere Hal­tung und dein ganzes Lebens­ge­fühl sol­­len von Liebe bestimmt sein. Luther über­setzt etwas tref­fender: „Alle eure Din­ge lasst in der Liebe geschehen.“

Das Jahr wird nicht fried­li­cher, es wird nicht im Guten erfolg­rei­cher, wenn wir uns nur genug anstrengen, noch mehr Taten der Liebe zu tun. Es fängt in dir drin­nen an. Das Spiel wird im Kopf entschieden. Liebe soll nicht nur Prinzip deines Han­delns sein – ob­wohl das ja schon sehr viel wä­re. Nein, Liebe soll dich ganz und gar bestim­men, oder um es poeti­scher zu sagen: Die Liebe muss von Herzen kommen! - Vielleicht denken manche von Ihnen jetzt: Das klingt nun ja noch anstrengender. So ist es ja noch schwerer, die Jah­reslosung zu le­ben. Ist das nicht utopisch, eine hoffnungslose Über­for­derung? Und kann man denn zu so um­fänglicher Liebe überhaupt auf­rufen? Paulus konnte das. Die Jah­res­losung ist die letzte Auf­forde­rung an die Ge­meinde in Korinth, das Finale des ge­samten Briefes, die Sum­­me al­ler Ermahnungen: „Alle eure Dinge sollen in Liebe ge­sche­hen!“ Auch Jesus selbst konnte dazu auffordern nämlich im Doppel­ge­bot der Liebe: „Liebe Gott über alle Dinge und deinen Nächsten wie dich selbst!“ Denn Liebe kann und darf nicht dem Zufall über­las­sen bleiben, nach dem Mot­to: das ist eben Typ-Sache: der eine ist gefühl­voll, die andere prag­matisch; die eine ist roman­tisch, der an­dere prak­tisch veranlagt. Nein, Paulus ruft uns alle da­zu auf, uns für diese­ Hal­tung zu entscheiden:

Alle eure Dinge sollen in Liebe geschehen.

Paulus ist kein vor Liebe verpeilter Träumer. In sei­nem be­rühmten Hohe Lied der Liebe stellt er ihr zwei wichtige Verbündete an die Seite: den Glauben und die Hoff­nung. Er schreibt: „Nun aber blei­ben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größ­te unter ih­nen.“ Das hört man meis­tens als Hochgesang auf die Liebe, und das ist es ja auch. Aber die Liebe braucht eben den Glau­­­ben an die Lie­be als einer höheren Kraft; und sie braucht auch die Hoff­nung, dass sich diese Kraft einst durchsetzen wird. Ohne den Glauben an Got­tes Liebe bleibt sie ei­ne Forderung an uns, oft eine Überfor­derung, die uns unter Druck setzt und der wir nie ge­nügen können. Und ohne Hoff­nung ver­lie­ren wir schnell den Mut, Liebe trotz allem zu wagen. In unseren Tagen spricht ja alles ge­gen einen Erfolg der Liebe. Deshalb wagen nur ganz we­ni­ge, die Lie­be auch zu leben, obwohl ja alle Menschen die Liebe so toll fin­den. Viele tun sich mit Liebe schwer, weil ihnen der Glaube und die Hoff­­nung fehlen. Stattdessen haben sie Angst, durch Liebe im ei­ge­nen Leben zu kurz zu kommen.

Der mächtig­ste Gegner der Lie­be ist ja nicht der Hass, sondern die Angst.

Die Angst ist mäch­ti­ger als meine Einsicht von Liebe. Aus Angst vor persön­li­chen Ein­schränkungen kommt Liebe oft zu kurz. Die Angst treibt ganze Völker in Terror und Staaten in Krie­ge. Es ist immer diese Angst, zu kurz zu kom­men. Deshalb hetzen im­mer mehr Menschen in un­serem Land wie­der gegen Frem­­de. Je größer Angst und Zu­kunfts­­­sorgen werden, desto mehr wird ge­gen Benach­tei­lig­te und Schwa­che gehetzt. Die Lie­be bleibt auf der Strec­ke. Inzwischen er­fordert es wieder Mut, sich für die anderen, für Fremden und Rand­gruppen einzusetzen. Liebe braucht dringend Unterstützung, sie braucht Glau­ben und Hoff­nung.

Als ich zusammen mit anderen in mei­ner Kirchenge­meinde in Dortmund einen Runden Tisch zur Unter­stüt­zung der Dortmunder Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge ein­­richtete, wurden wir persönlich von Dortmunder Neonazis öf­fent­lich als „Gutmenschen“ beschimpft und bepöbelt. Sie hatten Angst, die Frem­­­den würden ihnen die Hei­mat wegnehmen. Wir Kir­chenleute wä­ren durch unser Gerede von der Liebe nur verpeilt. So wür­den wir ver­kennen, wie böse und gefährlich die Fremden angeblich sei­en. Auch hier in Minden wurde ich schon ähnlich be­schimpft. Immer werden dabei Ängste in der Bevölkerung ge­schürt. Damals in Dortmund hielten wir dagegen und ließen unsere Dinge in Liebe geschehen. Liebe kämp­fte gegen die Angst. Sie war stärker, er­folgreicher und be­wirk­te Frieden im Dort­mun­der Westen. Dabei ist die Liebe bis heute für mich auch ei­ne Glaubenssache. Und die musste auch innerhalb der Kirche immer wie­der Ängste überwinden, Ängste vor dem eindeutigen Einsatz für an­de­re, die doch gar nicht zu uns gehören. Solcher Einsatz könnte uns doch Nach­teile bringen. Ja, Angst kann die Liebe ersticken. Aber ich ha­be erlebt, das Liebe, unterstützt von Glauben und Hoffnung, die Angst überwinden kann.

Im letzten Jahr habe ich den Ein­druck ge­won­nen, dass die Ängste zunahmen und Liebe schwieriger wurde. Der Zu­sam­­menhalt unserer Gesellschaft bröckelt. Verbände set­zen sich für ihre Interessengrup­pen ein; jede und jeder versucht für sich das Bes­te raus­zu­­holen. Liebe scheinen sich immer weniger leisten zu können. Zu­­kunfts­­angst lässt für Liebe immer weniger Raum und verzehrt den Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Sind die soziale Marktwirt­schaft und unsere soziale Demokratie nur etwas für gute Zeiten? Wenn im neu­en Jahr alles noch teurer wird, müs­sen wir dann befürchten, dass die Schwachen auf der Strecke blei­ben werden? Ehrenamtliches Enga­ge­ment nimmt überall ab. Dafür haben nur noch wenige Zeit und Kraft übrig. Alle re­den von Kir­chen­austritten; aber den Verei­nen und Ver­bän­den, den Schu­len und öffentlichen Einrichtungen geht es ja nicht besser. Immer mehr Men­­schen fürchten, sich so­zi­a­les Ehrenamt nicht mehr leis­ten zu können und ziehen sich aus Angst auf das private Glück zurück.

„Alle eure Dinge sollen in Liebe ge­schehen“

Das meint nicht nur mein Pri­vatleben, meine familiären Beziehungen oder Freund­schaf­ten. Das meint auch und gerade auch das Zusammenleben in Kir­che und Ge­sellschaft. Warum aber fehlt es an der Liebe? Weil die Angst einem den Hals abschnürt. Habe ich vorhin gesagt: „Die Lie­be ist für mein Le­ben die Luft zum Amten“, so ist es die Angst, die mir diese Luft zum At­men abschneiden will. Wir fürchten, uns vie­les nicht mehr leisten zu können, privat, in Kirche und Gesell­schaft. Kirche muss sich kleiner setzen, weil wir weniger Mit­glie­der und deshalb auch weniger Finanz­mittel haben. Auch die Stadt steht vor der Haushaltssicherung. Und pri­vat muss man eh sparen. Die Angst lässt der Lie­be da kaum noch Spiel­raum.

Darum ist es gut, dass Paulus uns mit der Jahreslosung uns nicht nur einfach nur ei­nen ethischen Appell zur Lie­be um die Oh­ren haut. Vielmehr hat er uns auf die beiden starken Verbündeten der Liebe hin­ge­­wiesen: Glauben und Hoffnung.

Liebe Gemeinde, Liebe ist für Chris­­ten­menschen weder Gefühls-Sache, noch Typ-Sache, sie ist Glau­bens­sache. Da­zu haben wir vorhin in der Schrift­le­sung das Nötige ge­hört, näm­lich:

„Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“

Liebe ist also nicht nur mein Tun, nicht nur eine Aufgabe, die mich schnell überfordert. Liebe ist viel­mehr der Ort, an dem wir Gott selbst in dieser Welt begegnen. Gott selbst ist Lie­be. Deswegen ist die Liebe mit der mächtigsten Kraft überhaupt ver­bun­den. Wenn ich das glaube: im Lieben bleibe ich in Gott und Gott in mir – dann bin ich doch gar nicht allein, wenn ich Liebe wage. Dann ist die Jahreslosung doch mehr als nur einer der vielen Vorsätze fürs neue Jahr. Denn dann ist da noch einer, der mir bei­steht, wenn ich liebe:

Gott selbst, die mächtigste Kraft. Er macht mir Mut und gibt mir Kraft, gegen alle Angstmacherei unserer Zeit. Ich kann Liebe leben – gerade für die, die sie besonders brau­chen: die Benachteiligten und Schwachen in der Gesell­schaft. Während die Angsttreiber sie zu Sündenböcken für alles Schlechte machen wollen, können wir ihnen in all unseren Din­gen in Lie­be begegnen. Wenn ich mit Gott im Lieben rechne, dann vertreibt er selbst mir die Angst. Oder wie es die Schriftle­sung auf den Punkt bringt:

„Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die voll­kom­me­ne Liebe treibt die Frucht aus.“

Weil Gott die Liebe ist, kann ich sie wagen und sie mir und anderen leisten. Ich muss dann nicht mehr Angst davor ha­ben, selbst zu kurz zu kom­men. Gott ist ja da, ich in ihm und er in mir. Er wird schon da­für sor­gen, dass es mir gut gehen wird, wenn ich Liebe lebe. Er wird mir dieses Jahr seg­nen, so dass es auch für mich persön­lich ein fried­li­ches und im Gu­ten erfolgrei­ches Jahr werden wird. Ich glau­­be da­ran, dass Gott die Liebe ist. Und darum bin ich gewiss: er wird mich schon segnen, wenn ich meine Dinge in Liebe ge­scheh­en las­se. Und die Glau­bens­hoff­nung, diese zweite Verbündete der Liebe, macht mir echt Mut: Die Liebe wird sich durchsetzen in der Welt, wenn ich alle meine Dinge von Liebe statt von Ängsten bestimmen lasse. Liebe ist nicht nur eine Angelegenheit für vermeintliche Gut­men­schen oder Tag­träumer oder Harmoniesüchtige, die allen Konflik­ten aus dem We­ge gehen und alles mit vermeintlicher Liebe zukleistern müssen. Nein, Liebe verschließt die Augen nicht vor Konflik­ten, sondern geht mutig hinein und setzt die Liebe durch. Auf die Liebe zu ver­trauen als die stärkere Kraft, das erfordert ganz viel Glau­ben und noch mehr Hoff­­nung. Liebe ist gar nicht nur was für Schwa­che. Für die Lie­be brauche ich sehr viel Mut und Kraft – im neuen Jahr noch mehr als früher.           

Wie gut, dass Paulus nur einen Vers vor der Jahres­losung Folgendes schreibt, wörtlich übersetzt:

„Haltet die Augen auf, steht fest im Glau­ben, seid mutig und seid stark. Alle eure Dinge sollen in Liebe geschehen.“

Liebe und Stärke gehören zusammen. Die Stärke, den Mut zum Lieben gewin­ne ich persönlich in meinem Glau­ben an Gott, der die Liebe ist und der mir Hoffnung macht, dass sich die Liebe doch durch­set­zen wird. Dazu will Gott mich und dich und uns gebrauchen.   Und was mir auch noch Mut und Hoffnungskraft gibt ist dieses:

Die Jahreslosung gilt ja nicht nur mir allein, sie ist ja nicht nur mein persönlicher Vorsatz fürs neue Jahr. Hier ist ja die gan­ze Ge­meinde aufgerufen, alles in Liebe geschehen zu lassen. Das be­deu­tet doch:  in dieser Haltung können wir uns ver­netzten. Das gilt dir persönlich in deiner Kir­chen­gemeinde, aber auch den Kirchen­ge­meinden miteinander in­nerhalb der neuen Pla­nungs­räume, die wir im vergangenen Jahr im Kirchenkreis eingerichtet haben. Alle Dinge in Liebe geschehen zu las­sen bedeutet also auch Ko­op­e­ration zum Guten, Zusammen­ar­beit für die Liebe: mit den Glau­bensgeschwistern, zwischen den Gemeinden im Kirchenkreis und auch zwischen Kirche und Stadt und Landkreis. Wir sollten uns noch mehr ver­netzen, damit wir gemeinsam noch mehr Dinge in Liebe geschehen lassen können. Wie gut, dass wir in Min­den dafür herausragend gut aufgestellt sind und schon viele gute Erfah­rungen sammeln konnten. Deshalb freue ich mich auf das neue Jahr, auch auf meine Arbeit mit Ihnen und Euch und glaube fest an den Erfolg der Liebe. „Alle eure Din­ge sollen in Liebe geschehen!“                         So wird es ein friedliches und im Guten er­folg­reiches Jahr 2024.

Amen.

 

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